Nichts als Lehm

Nichts als Lehm

9. September 2020 0 Von Ken

Ich bin so aufgeregt. Als normalerweise im Hintergrund als Administrator, Gärtner und Kerl für’s Grobe agierender Mann meines Glügge-Weibs, habe ich nach meinem letzten Bauprojekt die Aufgabe bekommen, „…doch auch mal einen Artikel für den Blog zu schreiben“. Und wenn mein Kräuterhexchen sich etwas von mir wünscht, kann ich ihr den Wunsch in den allerwenigsten Fällen abschlagen. Doch worum geht es eigentlich?

Seitdem wir ins Berliner Umland in unser eigenes Häuschen gezogen sind, machen wir immer mehr selbst. Marmelade aus den selbstgeernteten Früchten, Weinlese und -kelterung, Liköre und seit dem Studium der Kräuterpädagogik meiner Frau auch Kräuter- und Teemischungen, Sude, Salben und Tinkturen. Dazu gehört natürlich auch Backen in jeglicher Ausprägung.

 

Warum ein Ofen im Garten?

Was mich an Elektroöfen so stört, ist die Maximaltemperatur von 250°C und das schnelle Auskühlen, wenn der Ofen erst ausgeschaltet ist. Hoher Energieverbrauch und vor allem -verlust und dadurch kurze Nutzungsdauer. Also fing ich an mich zu belesen, welche Art von holzbefeuertem Ofen ich denn im Garten nutzen könne. Durch das ausgeprägte Faible meines geliebten Weibes für schlichte Landhausstile dachte ich zuerst natürlich an die Küchenhexen, wie ich sie von meiner Oma noch kenne. Ein riesiger Herd mit vielen Klappen, Öfen und Herdplatten. Jeden Tag in aller Herrgottsfrühe heizte meine Oma ihn ordentlich an. Erstens sorgte der Herd für eine immer wohlige Wärme in der Küche und zweitens auch für das Warmwasser in der Wohnung. Ein riesiger gusseiserner Kessel mit Wasser stand immer auf der linken Herdplatte. Zum Händewaschen oder Geschirr abspülen wurde dem Topf mit einer großen Kelle Wasser entnommen und dann mit kaltem vermischt. Wenig luxuriös, aber eins der einprägenden Rituale meiner Kindheit.

Leider ist eine solche Küchenhexe zur Verwendung im Garten mit meinen Maßgaben nicht geeignet. Die Abwärme, die die Küche beheizt, wäre hier wieder verschwendete Energie im Garten, da sie wirkungslos verpufft. Somit blieb letztendlich nur der Bau eines eigenen Ofens und wieder stand ich vor der Qual der Wahl. Fertigteile oder selbst mauern, Ziegel oder Schamotte, mobil oder fester Standort. Da kam mir, wie so oft bei meinen Projekten, mein sehr guter Freund, Kamerad und Zimmermann Gerd Zanow zu Hilfe. Er hatte vor geraumer Zeit den Dachstuhl seines Hauses erneuert, angehoben und das daraus neu entstandene Stockwerk mit Lehm verputzt. Er schwärmt für die genialen Eigenschaften von Lehm, ergo die logische Frage: „Warum baust Du keinen Lehmbackofen?“ Nach ausgiebiger Recherche, diversen Videos und Gesprächen stand der Entschluss fest. Aber bei einem Lehmofen benötigt man ein trockenes Umfeld, da die Witterung den Ofen sonst regelmäßig beschädigen würde. Auch dafür hatte Gerd einen pragmatischen und zugleich vielversprechenden Vorschlag: „Ihr habt doch Familie in Lausitz und Harz. Ist es nicht naheliegend, ein lehmverputztes Fachwerk wie bei den Umgebindehäusern zu bauen?“ – Natürlich war es das.

Bereits nach zwei, drei Bauplänen stand für mich fest, dass es ein reiner Lehmofen – also kein gemauerter, nur mit Lehm ummantelter – sein würde. Mit einer großen Schamottefläche, damit auch Braten oder mehrere Brote und Pizzen gleichzeitig zubereitet werden können. Schon gab es die nächste Herausforderung. Wohin mit einem so großen Ofen? Durch den Bau unseres von Wasserfall und Steingarten bedeckten Erdkellers gab es nicht mehr wirklich viel Platz auf unserem Grundstück, schließlich fordern auch (Hoch-) Beete, Obstbäume und Sträucher sowie das Gewächshaus ihren Platz. Hier blieb nur, den Holzunterstand unseres Schuppens abzureißen und dort unsere neue Gartenküche zu platzieren.

Ehemaliger Holzunterstand mit bereits abgerissenem Geräteschüppchen

Natürlich sollte der Bau so wenig preisintensiv wie möglich werden. Als Unterbau habe ich mich für Kalksandsteine entschieden und nach entsprechenden Angeboten auf Kleinanzeigen-Seiten gesucht. So ergab sich die tolle Situation, dass ich im Nachbardorf einen netten jungen Mann traf, der gerade das Grundstück seines Vaters entrümpelte, der offensichtlich ein Baustoff-Messie war. So bekam ich neben einer ausreichenden Menge Kalksandsteinen für einen schmalen Taler noch alte DDR Brandziegelsteine oben drauf, die er nicht loswurde und die ich eigentlich nur als Füllmaterial für die Fächer nutzen wollte. Doch nach Transport und Sichtung der Beute beschloss ich, sie zusätzlich auch für ein Sichtmauerwerk zwischen Ofen und Hüttenwand zu nutzen.

 

Kalksandsteine und DDR Brandziegelsteine

 

Also goss ich Streifenfundamente für Mauer, Seitenwände, Fachwerk und Schornstein und mauerte den Unterbau für den Ofen sowie als Unterstand für das Holz aus den Kalksandern und setzte die Sichtmauer obenauf.  Dass die Brandziegel keinerlei DIN Norm entsprechen und somit alle unterschiedliche Maße haben, geben der Rückwand einen rustikalen Charme und werden durch die groben Mörtelfugen noch unterstrichen.

Die Grundplatte für Ofen und Arbeitsplatte habe ich aus Beton gegossen. Schnell, einfach, preiswert. Ein Loch für den Gasschlauch unseres Außenherdes durfte natürlich nicht vergessen werden. Aufgrund der Spannweite und dem zu erwartenden Gewicht des Ofens habe ich eine Stahlarmierung eingebracht, um die Tragfähigkeit der Konstruktion zu erhöhen. Die zwei Lagerräume für das Holz und Gasflasche für den Herd, habe ich dank einer selbst angefertigten Rundform ebenfalls mit den Ziegelsteinen gemauert.

 

 

Die Lagerräume sind scheinbar so kuschelig, dass sie auch gleich von unserem Gartenmitbewohner ausgiebig inspiziert werden.

Ein Igel im Garten erspart Kampf gegen die Schnecken

 

Das Fachwerk

Nun ist es bereits Juli, es ist ein herrliches (fast zu warmes) Sommerwetter und von Regen und Gewitter ist aktuell noch nichts in Sicht. Trotz allem mag ich mich nicht mit Donar, dem Wettergott, anlegen. Also muss erst das Fachwerk für die Überdachung her, bevor ich mich auf das eigentliche Objekt meiner Baubegierde konzentriere. Hier darf natürlich wieder mein Lieblingszimmermann helfen, da ich Arbeiten mit massivem Holz wesentlich langsamer und ungenauer hinbekommen würde. Ich bin eher der Typ mit Millimeterpapier und vorausschauender Planung, während Gerd seine Konstruktionen vor seinem geistigen Auge zur Laufzeit plant und sogar auf den Zentimeter genau Maße eines Balkens schätzt. Sozusagen ein Holzverarbeitungsgenie. Binnen zwei Tagen stand das Fachwerk inklusive Überdachung und der liebe Gerd hat mir sogar ein neues Plätzchen für meine heißgeliebte Hängematte geschaffen. Einfach, fast unsichtbar und einfach perfekt – wie gewohnt.

 

Der Ofen wird geboren

Jippie, endlich ist es soweit, der Ofen hat ein trockenes Plätzchen, darf also nun das Licht der Welt erblicken. Den Lehm ließ ich mir aus der Lausitz liefern. Der Tipp kam – wie meistens – von Gerd, der mit der lokalen Firma Lehmdiscount sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Die Menschen dort sind freundlich, hilfsbereit und durchaus kompetent. Auf meine Frage, wie ich denn den Lehm ohne Drahtlegierung vernünftig zusammenhalten könne, legte mir man dort Langstroh nahe, welches ich im Austausch für Fotos sogar geschenkt bekam. Vorbildlicher Interessenausgleich! Auch wurden beste Tipps zum Abmagern des Lehms für Ofen und Putz gegeben, sodass es ein Leichtes war, die richtige Zusammensetzung herzustellen. Dass, wie aus „Ghost – Nachricht von Sam“ bekannt, Lehm ein erotischer Baustoff ist, kann ich seit dem Stampfen bestätigen 🙂 Was ich durch die Arbeit mit Lehm noch gelernt habe ist, dass Lehm ein geduldiger, enorm formbarer und vor allem verzeihender Werkstoff ist. Passt etwas nicht, oder muss korrigiert werden, feuchtet man den Lehm wieder an und ändert den entsprechenden Bereich. Einfach klasse!

Um die Schamottsteine zu verlegen, habe ich zuerst eine dicke Schicht Lehm auf den Untergrund gebracht und die Schamotte dann eben eingebettet. Danach habe ich meine tolle gusseiserne „Frau Holle“-Ofentür mit Ziegelsteinen vermauert. Dabei ist zu beachten, dass man hier keinen Mauermörtel nimmt, sondern ebenfalls Lehm, um nicht Baustoffe mit unterschiedlichem Erwärmungsverhalten in einem Gewerk zu verwenden. Danach habe ich mir den gewünschten Backraum mit nassen Sägespänen geformt, das Ofenrohr mit Drosselklappe fixiert und den Lehm nun Schicht für Schicht aufgetragen. Nachdem der innere Korpus von 20 Zentimetern Dicke getrocknet war, wollte ich nun eine Dämmschicht einbringen, die zu meinem Naturofen passt. Was bietet sich da besser an, als Schafswolle? Früher für alles begehrt, ist Schafswolle im Zuge von Globalisierung und synthetischen Dämmstoffen eher als Nischenprodukt zu sehen. Gottseidank nenne ich jedoch auch einen lieben Schäfer meinen Freund, der mir für einem ihm getanen Gefallen einen Interessenausgleich anbot. Zwei kurze Wortwechsel und ich durfte bei Dirk Papendieck, dem Schäfer der Brehnau Schäferei im wundervollen Salzatal, zwei riesige Säcke Schafswolle entgegen nehmen und damit meinem Ofen ein kuscheliges Kleidchen verpassen. Über die Dämmschicht wurde dann weiterer Lehm aufgebracht, diesmal jedoch ohne Stroh und in wesentlich abgemagerterem Zustand als Lehmputz.

 

Verputzen des Fachwerks

Bevor ich die Sägespäne aus dem Ofenkorpus entfernen und den Ofen einbrennen kann, muss er erst einmal komplett durchtrocknen. Schließlich soll das ganze halten und nicht wegen Ungeduld wieder einstürzen. Also habe ich genügend Zeit, die einzelnen Fächer des Fachwerks mit den verbleibenden Ziegelsteinen zu füllen und mit Lehm zu verputzen. An der Rückwand habe ich einige Ziegelsteine so gesetzt, dass durch die nicht verputzten, ausgefeilten Löcher eine Herberge für Hummeln und Mauerbienen entsteht. Ein auf dem Flohmarkt erstandenes Emaille-Waschbecken rundet das ganze ab. Schließlich will man zum Gemüse- oder Händewaschen nicht ins Haus müssen, wenn man schon hier kochen und backen möchte.

Das Mischungsverhältnis von Lehm und Kies ist hier 1:2. Der Kiesanteil ist also wesentlich höher, dadurch lässt sich der Lehm aber besser flächig verarbeiten. Lediglich die Einarbeitung eines gusseisernen Fensters hat mich oft fluchen lassen, weil das Modellieren von so sehr abgemagertem Lehm natürlich nicht so leicht ist, wie bei der vorherigen 1:1 Mischung. Aber Geduld und eh vorhandene Zeit durch die Ruhezeit des Ofens haben das Ganze dann doch möglich gemacht.

Sanfte Flammen

Nun ist es endlich soweit. Der Ofen kann sachte eingebrannt werden. Dafür sollte man sich wirklich Zeit nehmen, da auch nach scheinbarer Trocknung noch viel Feuchtigkeit in den Lehmschichten vorhanden ist. Ich habe nach der Faustregel gearbeitet, pro Stunde die Temperatur im Backraum um etwa 50 °C zu erhöhen. Bis 500 °C sollte ich laut mehreren Anleitungen gehen. Es war also ein langer Einbrenntag. Auch bei dieser Herangegensweise entstehen durch den Trocknungsprozess Risse und ich denke, selbst beim vierten, fünften Mal Backen werden noch Risse entstehen, aber die sind ja dank des genialen Baustoffs schnell zu flicken und irgendwann wird auch das nicht mehr passieren.

Ein Blick auf das Oberhitzenthermometer und das digitale Thermometer mit Fühler auf der Schamotte zeigten am nächsten morgen (!) immer noch knapp über 100 °C an. Somit funktioniert die Dämmung so wie sie sollte und die Wärme bleibt lange im Ofen. So kann meine Frau selbst am Tag nach einem Backmarathon immer noch ihre Kräuter in größerer Menge trocknen. Eine wirklich sehr gute Ausbeute der Wärmeenergie, wie ich finde.

 

Nach erfolgreichem Einbrennen sollte natürlich auch das Backen jeglicher Coleur ausgetestet werden. Also Sauerteig angesetzt, Brote und Brötchen geformt, Kuchen vorbereitet und ab geht die Post? Mitnichten. Um die Wärme des verwendeten Holzes auch optimal zu nutzen, sollte man sich schon vorher Gedanken machen, welche Speisen man zubereiten möchte. Ist der Ofen vorgeheizt, habe ich etwa 450 °C im Backbereich. Für Brote und Ofen noch viel zu heiß. Aber Italiener und Franzosen wissen, was man mit solchen Temperaturen perfekt zubereiten kann. Pizzen und Flammkuchen. Bei mittleren Temperaturen lassen sich beispielsweise herrliche Krustenbraten zaubern (hier ein Krustenbraten Balinesischer Art) und erst bei 220 °C und tiefer kommen die Backwaren dran, bis zum Schluss (ca. 180 °C – 160 °C) die Süßspeisen wie Apfelkuchen oder dergleichen in den Ofen dürfen. Es dauert also seine Zeit, wenn man die Wärme des Ofens optimal ausnutzen möchte.

 

Fazit

Abschließend kann ich sagen, dass ich nur „dank“ Corona und der damit verbundenen Remote-Arbeit überhaupt schon mit diesem Projekt fertig geworden bin. Auch ohne die tatkräftige Unterstützung von Freunden und dem Lehmdiscount wäre ich ganz sicher noch bei weitem nicht fertig. Nun freue ich mich auch die Backstunden in Familie oder mit Freunden und Nachbarn, die ebenfalls an diesem Ofen teilhaben können. Als „Eintritt“ schweben mir pro Teilnehmer so ein, zwei Scheite Holz vor 🙂

 

 

Dank

Mein Dank geht in aller erster Linie an meine Frau, die nach dem Kellerchaos im letzten Jahr gleich wieder eine große Baustelle auf dem Grundstück geduldet hat und sich nie beschwerte, wenn die Gartenarbeit wieder mal an ihr hängen blieb, weil ich bis in die späten Abendstunden auf „meiner“ Baustelle hockte. Desweiteren natürlich an den lieben Gerd Zanow, der mich mit seiner Expertise wieder einmal perfekt beraten und unterstützt hat. Wenn jemand also mal einen guten Wintergarten, einen Carport oder eine Terrassenüberdachung wünscht, dem sei Gerd Zanow Wintergärten (http://gerdzanowwintergaerten.de/)  ans Herz gelegt. Außerdem geht ein großer Dank an den zukünftigen Schwiegervater unseres Sohnes, der zum einen geduldig sein Profiwerkzeug für längere Zeiträume verleiht und mir wieder einmal beim Einschalen geholfen hat. Auch er muss irgendwie ständig für meine Projekte leiden… Natürlich danke ich auch meinem großen, starken Sohn, der immer und immer wieder, selbst bei 38°C die Baustoffe über das Grundstück schleppte, um seinen alten Herrn zu unterstützen. Wer mal Wolle oder gutes Biofleisch benötigt, kann sich voller Vertrauen an den lieben Dirk Papendieck von der Brehnau Schäferei wenden (https://brehnau-schaeferei.de/) – ein Schäfer mit uneingeschränkter Hingabe und einem großen Herzen. Und letztendlich auch an den Lehmdiscount in Berlin Biesdorf (https://www.lehmdiscount.de/), wo ich voller Interesse, Kompetenz und voller Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft unterstützt und beraten wurde.